Donnerstag, 20. Februar 2014

Alpträume aus Zucker und Dreijährige mit Entzugserscheinungen

Oma war konsequent. Die hat uns den Zucker gleich in seiner reinen Form verpasst. Würfelzucker aus Einsiedeln, Zuckerli vom Rheinfall in Schaffhausen – von all den Ausflügen hatte sie Souvenirs mitgebracht, Pralinenschachteln gefüllt. Sah lecker aus. Hat furchtbar geschmeckt. Und trotzdem: die Gebrüder dieser Zeilen griffen stets zu. Sehr zum Ärger der Mama. Heutzutage gibt es tatsächlich einen Zuckersammler-Klub und bei ebay versteigern Sie derartige – mmhhh, gebrauchte (schaut nach in der Artikelbeschreibung) – Raritäten.

Zucker fehlt – Stimmung mies. Zucker da – Stimmung mies.

Heute – stellt Euch doch eine Blende mit säuselnder Musik vor, so ähnlich wie bei den Werther's Echten, nur ohne den teuflischen Opa – steht der Riese vor mir und grinst: "Ein Riegel Schokolade. In jede Hand." Bei einem "Nein" kippt die Stimmung, zuviele "Ja" ergeben einen mitunter äußerst gereizten Dreijährigen, der nicht mal mehr Pommes anlangt. Zwei Zuckersticks in die kleine 125ml Teetasse, Ovomaltine, Gummibären – sonst gibt das Stress.

Dabei hatte er doch erst mit zwei Jahren die erste Begegnung mit Süßigkeiten im engeren Sinne. Die Liebste wollte eigentlich noch länger warten. Belächelt wurde sie, mit der Oma konspirativ, gell. Doch wenn die heute wieder ankommt und aus dem Aldi nicht nur Haribo Phantasia, Donuts, Schokoriegel mitbringt, sondern dazu noch Kuchen, dann hört auch beim lässigen Papa der Spaß auf.

Oder? Kann sie was dafür? Neulich, ganz unterbewusst, war schon lange selbst nicht mehr ebendort gewesen: schnell noch Phantasia holen, den gesunden Rest hatte ich gegenüber im dm gekauft. Mehr nicht. Das Ende vom Lied: an der Kasse kann ich meinen Einkauf kaum mehr jonglieren. Mini-Donuts, gefüllte Donuts, Neapolitaner, Schokoriegel mit Milchfüllung und – fast hätte ich sie vergessen: eine Packung Batterien.
Wem läuft hier das Wasser im Mund zusammen. Vorsicht, das ist nicht korrekt, politisch und erziehungstechnisch. Aber doch so Mmmmmmmmh. Foto: sxc.hu/knox_x

Gut gemeint die Kids in die Sucht treiben?

Man will doch nur Gutes tun. Wenn Gäste kommen beispielsweise. Oder seinem Nachwuchs. Doch woher hat der Zucker dieses wertvolle Image? Ist es tatsächlich evolutionstechnisch bedingt? Oder sind wir selber süchtig und nehmen hin, dass wir die Kids anfixen?

Die Wirtschaftliche Vereinigung der Zuckerverbände wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass Zucker fit macht, Zucker überhaupt nicht für Diabetes verantwortlich gemacht werden kann und bei allem noch die Umwelt geschont wird – und steht damit ziemlich alleine da.

Wieviel Zucker brauchen wir aber wirklich? Können wir überhaupt verzichten? Wie verhindern wir, dass wir einen Junkie heranziehen? Wenn ich lese, dass ein halbes Stück Obstkuchen dem Jungen eigentlich reicht pro Tag, dann schaudert mir gewaltig. Es drohen vom Zuckerschock über Darmschäden bei Überdosis Organausfälle. Experten bezeichnen sogar den Fruchtzucker als Gift.

Sorgen spießiger Besser-Erzieher?

Da hilft es nicht wirklich, dass eine Food-Designerin beim seriösen SWR zu Protokoll gibt, in Deutschland essen wir überhaupt nicht so süß wie in südlicheren oder orientalischeren Gefilden. Oder hilft das doch? Ist das nur wieder so eine Erziehungsparanoia von wegen, "das passiert uns Bessererziehern nicht?" Oder werden wir irgendwo nach Strich und Faden beschissen? Auf einem Fruchtschorle mit der Überschrift "Das gesunde Plus" steht bei den kleingedruckten Mengenangaben, dass man mit dem Getränk gleich noch rund 13 Prozent des täglichen Zuckerbedarfs abdeckt. Dass man auf der Ware, die explizit an Kids gerichtet ist, vom Zuckerbedarf für Erwachsene schreibt, ist äußerst bedenklich. Dass dabei ein Tagesbedarf von 2.000 kcal angenommen wird, ist gemeinhin umstritten – abgesehen von den Fitness-Studios der Zuckerverbände...

Egal. Jedenfalls ist es beschlossene Sache, dass ab Aschermittwoch striktes Zuckerfasten angesagt ist. Trockenfrüchte, Ovomaltine, Trost-Schoki und Mega-Ausnahmen ausgenommen, versteht sich.


PS: Rund 90 Gramm Zucker sollen wir maximal laut GDA-Empfehlung maximal zusätzlich täglich zu uns nehmen. Eine Flasche Cola (1L) hat 110 Gramm. Sollte man hier noch erwähnen, dass die Referenz-Portion vom Verband der europäischen Lebensmittelindustrie errechnet wurde?

Mittwoch, 5. Februar 2014

Da verdau' doch einer die wirklich wichtigen Fragen der Menschheit

Oben muss was rein. Nur so kommt unten was raus. Punkt. Aus. Fertig. So funktioniert das mit der Verdauung. "Was?", fällt mir mein dreijähriger Gegenüber beim Abendessen ins Wort. Einige "Warum?" später streiche ich die Segel und lenke das Thema wenig elegant zum Fußball. "Lass uns die Sportschau schauen. Komm Robert."

Oben rein, unten raus!? Von wegen

Man sollte es sich vorher überlegen, wenn man das vorschriftsmäßige Leeren des Tellers mit dem Satz, "Damit Du groß und stark wirst", anregen will.

Bis es so weit kommt, muss Beton gerührt werden. Bild: ku/ befunky

 

Von wegen Chemie und Nährstoffe und so

Denn nur zwei Fragen entfernt lauert der abstrakte Begriff der Verdauung. Ruckzuck ist der Erklärvater dieser Zeilen bei chemischen Prozessen und Nährstoffen angelangt und verstrickt sich beim Mischen im Magen bis zum "Kaka". Robert ist nicht schlauer geworden, nimmt aber die pädagogischen Lehren des Ballsports gerne auf.

Die Sendung mit der Maus hat das ja sicher auch schon behandelt das Thema. Ist tatsächlich angenehmer, als so früh der Frage nach dem "Woher?" bei den Babys nachzugehen. Wie Erwachsene die Verdauung korrekt erklären, soll keine Rolle spielen. Mein Dreijähriger Riese hat sich nämlich beim nächsten Abendessen meiner Dummheit erbarmt und mich auf den Wissenstand gebracht. Im folgenden das Gedächtnisprotokoll: Das eine oder andere "Warum?" von meiner Seite hat Robert übrigens geduldig beantwortet.

Sorry, liebe Feministinnen: die Männer machen das

Das fünfte Mal schenke ich gerade Saft nach. "Die Männer brauchen das", sagt Robert. Welche Männer? – "Die sitzen im Bauch, im Rücken und in den Füßen und verarbeiten Beton." Ah, klar. "Multisaft brauchen die zum Beton rühren. Dann kommt der Beton aus dem Popo raus als Kaka und geht dann ins Klo."

"Da sitzen die Müllmieden!" Die was? Er dreht souverän sein Glas und zeigt auf seinen Trinkfortschritt: "Guck', wieviel die gebraucht haben. Bis leer wird. Hast Du einen Mann gehört?"

Das nächste Mal erklärt mir der Riese vielleicht die Postmoderne

"Alooos. Aloos." Wie bitte? Ah, der Name des Mannes im Bauch. "Kämos heißt auch noch einer." OK. "Und dann wird das zu A-Fangi. Kennst Du das, Papa?" Ja, Mama hat mir das erklärt. Hat nix mit Island zu tun. Ist ein Spiel.

So weit ansonsten alles klar? Nächstes Mal wenden wir uns dann vielleicht doch schon Themen wie der postmodernen Daseinsanalyse zu.